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Kommentar: Unternehmen zwischen innovativer Datennutzung und EU-Regulierungen

Für Unternehmen wird die Balance zwischen innovativer Datennutzung und der Einhaltung regulatorischer Anforderungen zunehmend herausfordernder. Mit den neuen EU-Verordnungen – AI Act, Data Act und Data Governance Act – werden hohe Standards gesetzt. Die Botschaft ist klar: Wer mit Daten arbeitet, trägt Verantwortung.


  • 03.12.2024
  • Lesezeit: 3 Minuten
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Diese Verantwortung ist jedoch keine leichte Aufgabe. Unternehmen müssen nicht nur ihre Daten transparent und nachvollziehbar verwalten, sondern auch diskriminierende Verzerrungen in Algorithmen erkennen und eliminieren. Was auf dem Papier umsetzbar scheint, entpuppt sich in der Praxis oft als hochkomplex. Wie lässt sich etwa sicherstellen, dass ein KI-Modell auf neutralen Daten trainiert wird, wenn die zugrunde liegende Realität von Ungleichheiten geprägt ist?

Doch Bias ist nur eine von vielen Herausforderungen. Der verantwortungsvolle Umgang mit personenbezogenen Daten zwingt Unternehmen zu schwierigen Abwägungen. Anonymisierte Daten verlieren häufig ihren Wert für spezifische Analysen. Wo endet die gesetzlich geforderte Anonymisierung und wo beginnt der Verlust wertvoller Erkenntnisse? Synthetische Daten bieten eine interessante Alternative, da sie realitätsnahe, aber rechtlich unbedenkliche Datensätze ermöglichen. Doch wie repräsentativ sind synthetische Daten, wenn sie auf Algorithmen basieren, die aus bestehenden Daten lernen? Und reichen sie aus, um Datenschutz-und Bias-Anforderungen zu erfüllen?

Auch die Einhaltung von Datenschutzvorgaben wie dem Recht auf Vergessen stellt Unternehmen vor große Hürden. Daten sind oft über zahlreiche Systeme verteilt, und Löschprozesse sind aufwendig und erfordern eine kontinuierliche Dokumentation. Die Integration solcher Compliance-Anforderungen in den Arbeitsalltag ist selten ein schneller oder einfacher Prozess. Wer glaubt, dass ein paar technische Tools ausreichen, unterschätzt die Komplexität und den Aufwand erheblich.

Letztlich geht es um mehr als nur rechtliche Konformität: Es geht darum, Vertrauen zu gewinnen und langfristig zu sichern. Initiativen wie Data Contracts und Data Spaces, die einen rechtssicheren und transparenten Datenaustausch ermöglichen, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Doch solange der Diskurs über Datenkontrolle und-nutzung zwischen Unternehmen und Regulierungsbehörden feststeckt, bleibt der Weg zu einem wirklich verantwortungsvollen Umgang mit Daten steinig.

Letztlich geht es um mehr als nur rechtliche Konformität: Es geht darum, Vertrauen zu gewinnen und langfristig zu sichern.

Ein treffendes Zitat dazu stammt von Philipp Justus (Google): „Wir laufen Gefahr, Weltmeister in der KI-Regulierung zu werden. Dabei sollte es doch unser Ziel sein, Innovationsweltmeister zu werden.“ Die Balance zwischen Sicherheit und Fortschritt bleibt entscheidend. Eine übervorsichtige Regulierung birgt das Risiko, technologisch ins Hintertreffen zu geraten.

Meiner Meinung nach kann Europas differenzierter Ansatz zur Daten-und KI-Nutzung aber auch eine Chance sein. Durch die Förderung von Themen wie Sicherheit, Vertrauenswürdigkeit und Nachhaltigkeit können Innovationen entstehen, in denen Europa eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Eine Möglichkeit sind Reallabore, deren Aufbau auch im AI Act gefordert wird. Sie bieten Unternehmen Zugang zu einer geschützten Forschungsumgebung mit moderner Infrastruktur, in der Daten-und KI-Anwendungen unter realen Bedingungen sicher erprobt und weiterentwickelt werden können.

Durch die Förderung von Themen wie Sicherheit, Vertrauenswürdigkeit und Nachhaltigkeit können Innovationen entstehen, in denen Europa eine Vorreiterrolle einnehmen kann.

Unterm Strich zeigt sich: Der Weg zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Daten ist ein schrittweise umzusetzender Prozess. Die neuen Regulierungen setzen wichtige Impulse, und wer sie klug umsetzt, kann daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen – rechtlich wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Entscheidend wird jedoch sein, ob sich das Ideal von Verantwortungsbewusstsein mit der Effizienz und Pragmatik verbinden lässt, die die dynamische, datengetriebene Wirtschaft erfordert.

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Zu Inhalten

Dr. Torsten Priebe ist Dozent für Big Data Analytics an der Fachhochschule St. Pölten und leitet dort die Forschungsgruppe Data Intelligence. Zuvor verantwortete er den Bereich Business Intelligence bei Capgemini in Wien, arbeitete als Solution Architect bei Teradata und übernahm später die Position des CTO bei Simplity.


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