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GenAI auf dem Vormarsch: Widerstand als positive Kraft verstehen

Generative Artificial Intelligence (Gen AI) ist spätestens seit Anfang 2023 in aller Munde, Künstliche Intelligenz wurde erstmalig für die breite Masse „greifbar“. Während sich die IT-Experten in den Unternehmen darüber austauschen, welche neuen Features ihre tägliche Arbeit noch effizienter und/oder bequemer machen könnten, herrscht in den Fachabteilungen teils Aufbruchstimmung teils „vornehme Zurückhaltung“.

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Andrea Aleman

Senior Transformation Manager


  • 08.07.2024
  • Lesezeit: 8 Minuten
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Unbestritten ist: AI ist schon lange Bestandteil unseres Alltags, etwa die Autovervollständigung von Suchanfragen im Internet, Bildfilter in sozialen Medien oder die Verwendung der Gesichtserkennung der Kamera am Smartphone zum Entsperren. Unbestritten ist auch: Standen 2023 eher Forschungsdrang und das Ausloten der generellen Möglichkeiten sowie Experimentieren im Vordergrund, spielt seit diesem Jahr die kommerzielle Nutzung eine zunehmend wichtigere Rolle.

So ist es – bei dem Innovationstempo der Hersteller von Gen-AI-Angeboten (wie OpenAI, Google, Mystral, Aleph Alpha) – bei vielen nur noch eine Frage von Monaten, weniger von Jahren, wann die ersten Unternehmensanwendungen bekannter Softwareanbieter und/oder Hyperscaler in Einführungsprojekte münden werden, die wahlweise die Erschließung neuer Geschäftsfelder oder Effizienzsteigerungen mithilfe des Einsatzes von Gen AI ermöglichen.

Die Einführung dieser Art von Anwendungen in den Unternehmenskontext sollte als große Chance und nachhaltige Veränderung im Unternehmen, weit über die reine Implementierung neuer technischer Möglichkeiten, verstanden werden. Die Unterschiede zu den Produkteinführungen in der Vergangenheit sind eindrücklich:

  1. Der Goldman-Sachs-Bericht [1] prognostiziert für die nächsten Jahre einen stetigen Anstieg der weltweiten KI-Investitionen auf 110,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023, bevor sie jährlich um mehr als 20 Milliarden US-Dollar ansteigen und im Jahr 2025 die prognostizierte Marke von 158,4 Milliarden US-Dollar erreichen.
  2. Die Geschwindigkeit der Innovationen, getrieben durch Erfindungen im Bereich Informationstechnologie, wird unterschätzt. Anders als in den ersten drei Stufen der industriellen Revolution werden keine „handwerklichen“ Werkzeuge mehr von Menschen erfunden. Es werden Technologien, nämlich Software, zur Entwicklung von Technologien, ebenfalls Software, eingesetzt. Zusätzlich hat das Internet den Zugang zu entsprechendem Wissen und frei verfügbaren Hilfsmitteln weltweit ermöglicht und eine global vernetzte Welt des Internet-Handels geschaffen.
  3. Artificial Intelligence wird der vierten Stufe der industriellen Revolution zugeordnet und fällt unter den Begriff Digitalisierung und Vernetzung. Sie wird eher als technischer Wegbereiter, weniger als Antreiber der Veränderung gesehen. In den Übergängen von Massenproduktion durch Maschinen (1. Stufe) zu Akkord und Fließbandarbeit (2. Stufe) zur Automatisierung durch Computer (3. Stufe) sind in der Vergangenheit ganze Industriezweige verschwunden und neue entstanden.

Daher kann es für Firmen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein, sich jetzt (einmal mehr) auf die anstehenden Herausforderungen im Umgang mit Wandel vorzubereiten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich circa 70 Prozent der Veränderungsvorhaben [2] nur bedingt erfolgreich umsetzen lassen, wenn die Herausforderungen, die mit dem Wandel verbunden sind, unterschätzt oder nicht berücksichtigt wurden. Hauptursache: fehlerhafter Umgang mit Widerstand neben fehlender Management-Unterstützung.

Fokussieren wir uns in diesem Artikel auf den Umgang mit Widerständen, da aus meiner Erfahrung heraus ihre faktische Macht zu oft unterschätzt und damit kaum thematisiert wird. Ein bewusster Umgang mit den dahinter liegenden Emotionen ist wichtig, um das gesamte Team frühzeitig abzuholen, mitzunehmen und den Einsatz von Gen AI gemeinsam zum Erfolg zu bringen.

Ändere dich!

Verändern macht mehr Spaß, als verändert zu werden. Gerade deshalb ist es wichtig zu verstehen, was die Forderung nach Veränderungen in Menschen auslöst. Solange die Forderungen nach „Change“ auf einer globalen oder abstrakten Managementebene verbleiben, stimmen die meisten Mitarbeiter diesen Forderungen zu. Sobald es jedoch um die konkreten Veränderungen der eigenen Gewohnheiten oder des eigenen Aufgabengebiets geht, verändert sich das Verhalten umgehend, es können sich Abwehrreaktionen („Reaktanz“) ergeben, denen Widerstände folgen.

Innerhalb von Firmen ist verbergendes, vermeidendes Verhalten öfter zu beobachten als offensichtlicher Widerstand. Denn nur wenige Mitarbeiter oder Führungskräfte „riskieren“ es, offen zu intervenieren. Stattdessen wird „Widerstand durch Zustimmung“ geleistet, es werden Lippenbekenntnisse abgegeben und im Hintergrund viele Aktivitäten gestartet, um die bedrohten Freiräume zu bewahren oder wiederherzustellen. Die positive Kraft, die in Widerständen stecken kann, verpufft ungenutzt.

Folgende Verhaltensweisen können ein Indiz für abwehrendes Verhalten sein:

  • prinzipielle Zustimmung bei Unterlassen jeder Konkretisierung,
  • Liegenlassen bzw. Verzögern wegen „dringender anderer Prioritäten“,
  • Fehlinterpretationen, Umdeutungen, Unterstellung „wahrer“ Absichten,
  • Abtauchen, Passivität, Rückzug,
  • Versagen, Misserfolg, Scheitern,

Ein entscheidendes Merkmal verdeckter Widerstände ist, einwenden zu können, dass es jedem einmal passieren kann, etwas zu vergessen, oder dass sich wichtigere Prioritäten ergeben haben. Man spricht von „dementierbaren Blockaden“. Jedoch ist das Identifizieren verborgener Widerstände und der geeignete Umgang damit von starkem wirtschaftlichen Interesse eines Unternehmens bei der Einführung von Gen-AI-gestützter Software und ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das Erkennen der dahinterliegenden Motive und Ziele des jeweiligen Widerstands ist dafür die Grundvoraussetzung, was viel Erfahrung beziehungsweise einen guten Spürsinn erfordert.

Welche Arten von Widerständen gibt es?

  1. Widerstand aus Angst: Angst kann viele Gründe haben. Widerstand aus Angst hält entweder an, bis die Angst verschwunden ist, oder sich die Mitarbeiter in ihr Schicksal ergeben. Hier empfiehlt es sich, entsprechende Kommunikationsmaßnahmen vorzubereiten und adressatengerecht durchzuführen. In meiner beruflichen Praxis hat sich der Einsatz des Riemann-Thomann-Modells (s. Abb. 1) als hilfreich erwiesen. Dieses Modell kommt ursprünglich aus der Angstforschung und kann helfen, mögliche Ursachen für Ängste leichter zu identifizieren und daraus eine angemessene Kommunikation abzuleiten.

Abb. 1: Eine Darstellung des Riemann-Thomann-Modell zur Ermittlung von Teampersönlichkeiten, Quelle: karrierebibel.de/wp-content/ uploads/2015/03/Riemann-Thomann-Modell-Grafik-650x434.jpg

2. Widerstand aus dem Bedürfnis nach Rache und
Vergeltung, wenn sich Mitarbeiter von dem Vorgehen verletzt fühlen
oder darüber so empört sind, dass sie alles daransetzen, das
Vorgehen scheitern zu lassen. Diese Form kann sich, wenn ihr nicht
mit der richtigen, entlastenden Kommunikation begegnet wird,
verhärten und ist dann nur noch schwer aufzulösen.

3. Widerstand aus Eigeninteresse: Dieser wird durch zwei Auslöser
bestimmt: erstens dem Grad der Beeinträchtigung der persönlichen
Interessen und zweitens dem Grad der Hoffnung,
Beeinträchtigungen beseitigen oder zumindest reduzieren zu
können.

4.Widerstand, der politisch motiviert ist: Diese Widerstandsform lässt
sich nicht beseitigen, da sie sich gegen das gesamte
Veränderungsvorhaben richtet.

Für die vierte und die fünfte Form verwende ich eine Übersicht (s. Abb. 2) als Orientierung für eine situativ angemessene Kommunikations- und Vorgehensstrategie.

Doch wie nun mit welchem Widerstand umgehen und das Positive nutzen?

„Betroffene zu Beteiligten machen“ – zwei Ansätze

  1. Ansatz: Da die häufigsten Auslöser für Widerstände auf den Emotionen Angst (1.) und Reaktanz (2.) (sehr selten dem Wunsch nach Rache (3.)) basieren, empfiehlt es sich, zunächst das Gespräch zu suchen beziehungsweise angemessene Kommunikationsmaßnahmen von Anfang an einzuplanen. Liegen die Gründe erst einmal auf dem Tisch und wird gemeinsam nach vertretbaren Wegen für die betroffenen Mitarbeiter gesucht, gehen die Widerstände deutlich zurück oder verschwinden sogar völlig. Nicht selten liegen in den Gründen persönliche oder Sachargumente verborgen, die zuvor nicht bedacht wurden und bei Berücksichtigung zu einer erfolgreichen Einführung durch die dann Beteiligten beitragen können.
  2. Ansatz: Sollten diese Maßnahmen nicht greifen, verdichten sich die Anzeichen für interessengeleitete Widerstände (4., 5.). Hier hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass weitere Zuwendung keinen Erfolg haben wird. Es geht um das Durchsetzen beziehungsweise das Finden anders gelagerter Kompromisse, um so das Gelingen des Gesamtvorhabens sicherstellen zu können.

Fazit

Gen AI ist nicht nur in aller Munde, sondern auch auf dem Vormarsch zur kommerziellen Nutzung in Unternehmen. Der nach meiner Beobachtung dringliche Nutzen von Gen AI ist Change. Dieser ist nicht zu unterschätzen. Es ist unbestritten, dass die Möglichkeiten von Gen AI sehr viele Vorteile und Chancen bieten. Ein proaktiver Umgang mit den Formen von Widerständen kann den wirtschaftlichen Nutzen im Unternehmen erhöhen und den Firmen, die sich mit den Herausforderungen im Umgang mit vermeidendem Verhalten frühzeitig beschäftigen, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten.

Weitere Informationen

[1] Global investment in AI could near $200 billion by 2025: Goldman Sachs,
https://www.foxbusiness.com/economy/global-investment-ai-could-near-200-billion-2025-goldman-sachs

[2] Changing change management,
https://www.mckinsey.com/featured-insights/leadership/changing-change-management

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Andrea Aleman

Senior Transformation Manager
Zu Inhalten

Andrea Aleman ist seit 2016 in ihrer Rolle als Senior Transformation Manager in großen Change- und IT-Transformationsprogrammen bei einer internationalen IT-Unternehmensberatung tätig. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Einführung agiler Arbeitsweisen im skalierten Umfeld und der Verbesserung innerbetrieblicher Abläufe unter besonderer Berücksichtigung des „Faktors Mensch“. Dabei kommen sowohl ihre 30-jährige Berufserfahrung als Projektmanagerin als auch ihre weiterführenden Kenntnisse zum Einsatz, zum Beispiel Mental Coach oder das Studium der chinesischen Philosophie und der fünf Wandlungsphasen. In ihrer aktuellen Aufgabe liegt ihr Fokus unter anderem auf der Einführung von (Generative) Artificial Intelligence in Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung rechtlich-ethischer Aspekte im Zusammenspiel mit der Veränderung des Softwareentwicklungsprozesses.


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